
EDITORIAL
Autorin: Y. Han · Ausgabe 07-08/2025|| Natürlich liegt einem jede Ausgabe am Herzen – wie könnte es auch anders sein –, aber wenn es allein nach den Interviews ginge, wäre diese Festspielausgabe von vorn bis hinten ein Heft der ganz großen Lieblinge, aus ganz verschiedenen Gründen: die einen, weil wir sie so schon so lange verfolgen, sie uns auch an kleinen Bühnen in großen Rollen zum Staunen gebracht haben wie unsere unaufhaltsam ihren Weg gehende Titelkünstlerin Signe Heiberg; andere weil sie seit vielen Jahren immer wieder Garant für Wow-Erlebnisse waren wie Salzburgs Giulio Cesare Christophe Dumaux, der als Tolomeo in der McVicar-Inszenierung sicher nicht nur bei mir riesige Begeisterung für Händel entfacht hat, auch in vermeintlich kleinen Rollen nachhaltig im Gedächtnis bleiben wie Ante Jerkunica oder immer wieder verblüffen, indem sie vermeintliche Grenzen und Schubladen überwinden und neu denken, so wie Rachel Willis-Sørensen oder die sich immer wieder neu erfindende und in Kürze einen neuen Emily-Dickinson-Liedzyklus vorstellende Joyce DiDonato.%weiter%Bei dieser Heirat von Musik und Literatur kommen sicherlich nicht nur Freunde des Schöngesangs, sondern gerade auch Liebhaber von wunderschöner Dichtkunst auf ihre Kosten.
Und dann gibt es da noch die Helden des Wagner-Kosmos, jener – wie Rachel Willis-Sørensen es ebenfalls beschreibt – so kollegialen, unhierarchischen Welt, in die Zuschauer wie Protagonisten sich so tief hineinwühlen wie in kaum einen anderen Opernkosmos. Es war uns eine riesige Freude, in dieser Festspielausgabe nicht nur den rasant aufsteigenden Stern dieses Universums, Nicholas Brownlee, erneut zu besuchen, sondern mit Michael Kupfer-Radecky einen weiteren verdienten Wagner-Veteranen ins Scheinwerferlicht zu rücken, der uns im Sommer auf dem Grünen Hügel so vortrefflich unterhalten hat mit seiner Kunst und sich im Gespräch als ganz im Dienste eben dieser Kunst stehender Sänger gezeigt hat. Das, was andere gern medienwirksam propagieren, lebt hier jemand ganz offenkundig.
Und auch wenn das ein noch subjektiveres Sentiment als sonst sein mag, das vielleicht nicht jeder von Ihnen, liebe Leser, in gleichem Maße teilt (schließlich ist auch die Kunst am Ende vor allem Geschmacksache) – wir hoffen sehr, dass Sie genauso beseelt und vorfreudig wie wir in die anstehenden Festspielwochen aufbrechen, auf der ein oder anderen Bühne vielleicht sogar einem der in diesem Heft porträtierten Künstler begegnen und sich freuen. Und auch wenn der Branche die Verunsicherung der zurückliegenden Krisen noch immer anhängt und sie sich daher umso mehr um Wandel bemüht: Der Sommer ist eine fantastische Zeit für diese Kunstform, und wir sind gespannt, wer auch in diesem Jahr wieder verlässlich für tolle Momente sorgen, wer die an ihn/sie gestellten Erwartungen erfüllen und sich bewähren wird und welche Experimente – denn Sommer ist traditionell auch die Zeit für Außergewöhnliches – sich vielleicht für den regulären Theater- und Konzertbetrieb eignen könnten.
In diesem Sinne: auf die Vorfreude – und auf die Musik.||
Ihre Yeri Han