EDITORIAL
Autor: Y. Han · Ausgabe 7-8/2021
„Frohes neues Jahr!“ Ungewöhnliche Worte zu dieser Jahreszeit, erst recht nach den jüngsten Hitzewellen, die über Deutschland gerollt sind, finden Sie nicht auch? Mit diesen Worten wurden aber die Zuschauer von Düsseldorfs »Barbiere« vom Generalintendanten der Rheinoper begrüßt, und es sind in der Tat trotz zugegeben falscher Jahreszeit genau die treffenden Worte, denn wie schon im Sommer 2020 – und in diesem Jahr sogar noch viel energischer – kam es mit den steigenden Temperaturen zu einer wahren Öffnungslawine, die tröpfelnd anrollte und dann brachial an Fahrt aufnahm.
Weiter → Alle Jahre wieder – um ein weiteres Winter-Zitat zu bemühen – kehrt im Sommer also wie aus dem Nichts die Normalität zurück, und wie Pilze aus dem Boden schossen allerorts die Live-Aufführungen, wie sich auch in unserer wiederauferstandenen Aufführungs- und der im Gegenzug geschrumpften Streaming-Rubrik manifestiert; teils geschah das mit wenig Vorlauf ob der Kurzfristigkeit, mit der die Häuser auf die Öffnungsstrategien ihrer Länder aufspringen konnten/mussten, und überall mit nach wie vor ausgedünnten Reihen und den obligatorischen Test- beziehungsweise Impfnachweisen am Einlass, aber: Es stellt sich trotz aller Begleiterscheinungen ein wohltuendes und befreiendes Gefühl von Normalität wieder ein. Dieses so erfreuliche, in seinen Ausmaßen unverhoffte Saisonfinale, das wie ein fantastischer Spätsommer in verregneten Jahren über uns hereingebrochen und noch immer nicht vorbei ist, mündet nun also in die mancherorts (siehe England und Verona) bereits angelaufene Festspielsaison, die ebenfalls verspricht mindestens Vorjahresfreuden zu wiederholen, wenn nicht sogar diese zu übertreffen – in gebotenem, pandemiegerechtem Maße, wie sich von selbst versteht. Bayreuth gibt sein herbeigesehntes Lebenszeichen, Salzburg lockt gewohnt mit stargespickten Vorstellungen, Bregenz ebenso bewährt mit großer Oper auf der spektakulären Seebühne sowie einer spannenden Rarität im Festspielhaus, während sich Italien, bereits 2020 einer der tat- und zugkräftigsten Sommerbespieler, auch in diesem Jahr wieder breit aufgestellt hat. Wir freuen uns, wenn unsere prall gefüllte Sommerausgabe Sie, liebe Leser, bestens für das sich darbietende Angebot rüstet – denn nicht nur unsere Aufführungsrubrik meldet sich so breit gefächert wie eh und je zurück, sondern auch die von Ihnen so vermissten Spielpläne, sowie die gewohnte Vielzahl an Interviews,
die Sie thematisch auf Juli und August einstimmen sollen. So sprachen wir mit John Lundgren, einem der Wotane unserer Zeit, unmittelbar vor Probenbeginn zum neuen Bayreuther »Holländer«, Aktionskünstler Hermann Nitsch, der in diesem Jahr eine mit Spannung erwartete Kunstaktion während der »Walküre« vollführen soll, nahm einen unserer Autoren mit in „seine Welt“, Dirk Kaftan gibt Einblicke in den Bregenzer »Nerone«, und Aleksandra Kurzak und Maria José Siri sprachen über die in Verona auf sie wartende Herausforderung, Santuzza und Nedda an einem Abend zu singen, sowie ihre persönliche Sicht auf diese zwei großen und zwiespältigen Frauenpartien des Verismo. Ich würde mich freuen, wenn Sie beim Lesen der nachfolgenden Seiten das gleiche Vergnügen empfinden, das wir beim Erstellen hatten, und Sie enthusiastisch gestimmt nicht nur in einen opern- und musikreichen Sommer starten, sondern mit eben diesem Elan auch in die uns anschließend erwartende neue Spielzeit blicken. Es mag hier und da noch dezente Skepsis herrschen – die Zeichen stehen auf Musik, und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn 2021/22 nicht unter einem besseren Stern stünde als die letzte Saison. In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Treue – genießen Sie den Sommer und sein reichhaltiges musikalisches Angebot!