EDITORIAL
Autor: R. Tiedemann · Ausgabe 7-8/2018
An diesen Moment kann ich mich noch sehr genau erinnern: Es war spät geworden nach einem Treffen der Jurymitglieder beim Gesangswettbewerb DEBUT im Herbst 2012, in kleinen Gruppen machten wir uns auf den Heimweg durchs nächtliche Taubertal. Die Gespräche waren alle sehr anregend gewesen, doch was Guy Montavon mir während der Autofahrt voller Stolz erzählte, faszinierte mehr als alles andere: Erfurts umtriebiger Theaterleiter wollte sich an Gaspare Spontinis »Agnes von Hohenstaufen« wagen. Zwei Gedanken waren dazu sofort und fortan in meinem Kopf, reduziert auf Schlagworte hießen sie: Mutig! Endlich! Es sollte dann noch einige Spielzeiten länger dauern als gedacht, bis der ehrgeizige Traum in die Realität gesetzt werden konnte; nun war es tatsächlich so weit, als ein Triumph aus Entdeckerfreude, unbeirrtem Glauben und ansteckender Begeisterung für die (ganz große) Oper.
Weiter →Gut Ding braucht Weile – und Visionen. Gerade der Musiktheaterbetrieb erfordert langfristige Planungen und eben auch Ideen, die durchaus einmal ungewöhnlich oder zunächst unrealistisch erscheinen können. Wer wirklich an ein Projekt glaubt, kann viel erreichen. Auch Mark Elder, der vielseitige britische Maestro, setzt sich seit Jahren immer wieder ganz gezielt für das Unbekannte ein, holt Raritäten in Serie aus der Versenkung, präsentiert jetzt im Londoner Sommer sogar die Uraufführung (!) einer Donizetti-Oper. Die offensichtliche Hingabe an den italienischen Belcanto erfreut umso mehr, als sich der eine oder andere Pultkollege diesbezüglich gern zurückhält, sobald die großen Kaliber des „schweren“ Fachs im Kalender stehen. Das Publikum sieht das bekanntermaßen anders: Die italienischen Opern, seien es die virtuosen Attraktionen des „schönen Gesangs“, die großen Verdi-Hits oder praller Verismo, sind beliebt wie eh und je, und so ist es kein Wunder, dass sie sich vielgestaltig auch durch diese Festspielausgabe ziehen – vom Interview mit dem Salzburger Rossini-Tenor Edgardo Rocha bis zum berührenden Bühnenabschied der italienischen Belcanto-Diva Mariella Devia. Auch die Moderne fügt sich wieder wie selbstverständlich ein, sowohl in die nachfolgenden Seiten mit einigen hochspannenden Uraufführungsberichten als auch in die Programme der unzähligen Veranstaltungen dieses Festspielsommers. Da kann es einem fast unwirklich erscheinen, wie wenig präsent und von Zuschauern wie Veranstaltern gleichermaßen geringgeschätzt Zeitgenössisches noch vor wenigen Jahren war. Selbst die Bayreuther Festspiele bringen in diesem Jahr eine Uraufführung heraus! Und wer Katharina Wagner, die sich trotz übervollen Terminkalenders die Zeit für ein ausführliches „Opernglas“-Interview genommen hat, in ihren ureigensten Elementen Regie & Festspielleitung erlebt, merkt schnell, wie sehr sie wirklich brennt für diese Themen und da ganz offensichtlich auch noch so einiges für die kommenden Jahre in petto hat.
Ihr persönliches Steckenpferd, Oper für Kinder, ist auch für uns seit Jahren ein Thema; die beliebte, längst traditionelle „Spielplänchen“-Rubrik, die jeden Monat auf das Schönste zeigt, wie üppig hier die Angebote seitens der Opernhäuser geworden sind, haben wir diesmal sehr gern ergänzt durch einen ganz besonderen Beitrag für unsere Kleinen, Bastelbogen inklusive. Überhaupt möchte die nachfolgende Lektüre nicht nur informieren, sondern vor allem auch motivieren, Anregungen geben für den Opernbesuch – gemeinsam mit den Kindern, den Großeltern, mit Freunden. Dafür ist gerade die Festspielzeit wie geschaffen!
In diesem Sinne einen schönen Sommer wünscht Ihnen