EDITORIAL
Autorin: Y. Han · Ausgabe 05/2023|
Jede Arbeit hat ihre eigene Art für persönliche Zufriedenheit zu sorgen – die einen tun etwas gesellschaftlich Relevantes, andere etwas sehr Erfüllendes, wieder andere verbinden mit ihrem Beruf ein hohes Maß an Abwechslung und neuen Impulsen. In einer Zeit, die digitaler, unverbindlicher, gleichzeitig gefühlt aber auch immer unzufriedener wird, freut es mich immer wieder feststellen zu können, wieviel Bewusstheit, Freude und Facettenreichtum mit unserem Job verbunden sein kann – nicht nur dass wir das Privileg haben, am Ende eines Monats ein tatsächliches Produkt in der Hand halten zu können; auch die menschlichen Begegnungen und musikalischen Momente innerhalb der vermeintlich kleinen und doch erstaunlich großen Welt des Musiktheaters, die den Entstehungsprozess bis dahin begleitet haben, machen das Besondere aus.%weiter%Frappierend ist dabei immer wieder aufs Neue, wie viele Möglichkeiten die Oper zu bieten imstande ist, wenn man sie nur ließe, inhaltlich, thematisch, handwerklich wie personell. So kann neben einem »Tannhäuser« in „Traumbesetzung“ andernorts einer vielversprechenden Nachwuchssängerin eine Isolde anvertraut und wieder woanders eine absolute Rarität abseits der gängigen Klassiker angeboten werden. Theatern und Veranstaltern kommt in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle zu, die sicherlich nicht immer fair verteilt und zudem auch zunehmend schwierig auszufüllen ist, je kleiner der Veranstaltungsort und sein Einzugsgebiet. Nicht jeder hat schließlich die Möglichkeiten, ausschließlich mit schillernden Namen zu besetzen und hierfür Kartenpreise in Höhe von mehreren hundert Euro aufzurufen. Doch das ist auch nicht die Aufgabe der „kleineren Häuser“ im Flickenteppich des deutschsprachigen Raums; so begehrlich man in mancher stiller Stunde auch zu den großen Nachbarn und ihrem Bombast hinüberschielen mag – ist das Stadttheater in mittelgroßen bis kleinen Städten nicht im Grunde der viel wahrhaftigere Bote von Kunst und Kultur, der sein ihm im Bestfall langjährig verbundenes Publikum nachhaltig prägen und weiterbilden und ohne unnötiges Chichi für besondere Erinnerungen sorgen kann? Wir sind als Publikum oftmals geneigt, kritisch mit den Ausführenden ins Gericht zu gehen, doch es ist nicht hoch genug zu schätzen, wie wichtig diese oftmals ohne großen überregionalen Applaus stattfindende Arbeit für die Struktur ihrer Region ist – und wie gut überdacht und heikel der Balanceakt für die Verantwortlichen mitunter sein muss, ihre persönlichen künstlerischen Ambitionen und Visionen, Nachwuchsförderung, Spielplan- und Besetzungsmut und den notwendigen Konservatismus so unter einen Hut zu bringen, dass beide Seiten dabei wachsen und sich die Langjährigkeit der wechselseitigen Beziehung auch in die Zukunft fortsetzt. Auch das ist harte Arbeit und verströmt an der Oberfläche sicherlich nicht den großen internationalen Glamour, den andere Standorte ihr eigen nennen – doch hier im Kleinen keimt die Zukunft des Netzwerks Musiktheater, hier können und sollten Dinge ausprobiert und implementiert werden, hier können Themen und die beteiligten Menschen wachsen für den nächsten Schritt.
Ich sprach eingangs von den vielen Möglichkeiten – und ich hoffe, dass diese Vielzahl und Vielfalt etwas ist, das aus den Seiten unserer prall gefüllten Mai-Ausgabe auch zu Ihnen, liebe Leser, hinüberweht, denn sie deckt wieder einmal das ganze Spektrum zwischen dem großen schillernden Event, dem großen Opern-Bombast und der gesellschaftlich relevanten Uraufführung, aber auch den tagtäglichen Verdiensten all der kleineren und größeren Theater um uns herum ab, die Sie und uns mit ihrer akribischen Arbeit hoffentlich auch weiterhin zum regelmäßigen Besuch animieren, immer wieder etwas Neues entdecken lassen oder uns zum Nachdenken bringen.||
Ihre Yeri Han