EDITORIAL
Autor: Y. Han · Ausgabe 4/2020
Liebe Leser, innerhalb einer rasanten Entwicklung, in der die Ereignisse sich kurz vor Redaktionsschluss überschlagen haben, hat das Corona-Virus flächendeckend das kulturelle Leben in weiten Teilen Europas ausgeschaltet: von einzelnen Großveranstaltungen, die zunächst abgesagt wurden, über die 1000-Personen-Regelung folgte Schlag auf Schlag schon bald eine bundesweite Einstellung des Spielbetriebs bis Mitte April. Mittlerweile ist flächendeckend das gesamte öffentliche Leben zum Stillstand gekommen. Man kann gar nicht einzeln aufzählen und es ist nicht auszudenken, wie viele kulturelle Ereignisse dieses Jahr nicht stattfinden, wie viele Uraufführungen vorerst ungespielt bleiben und wie viele künstlerische Existenzen von diesem zunehmend tiefgreifenden Einschnitt in unser aller Leben bedroht sind und sein werden.
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Glücklicherweise ist die Musik noch nicht gänzlich verstummt – der Pianist Igor Levit gibt auf Instagram jeden Abend um 19:00 ein Wohnzimmerkonzert, letzte Neuproduktionen schafften noch als „Geistervorstellungen“ zumindest die digitale Premiere, die Berliner Philharmoniker haben ihre Digital Concert Hall allgemein zugänglich gemacht, die Metropolitan Opera streamt Abend für Abend eine ihrer Kino-Übertragungen der vergangenen Jahre, und auch vielen andere Opernhäuser bieten Aufzeichnungen ihrer Produktionen an, die die große eingekehrte Stille auf dankenswerte Weise füllen. (Und vielleicht schaffen Opernaufzeichnungen es in dieser Zeit ja auch vermehrt ins öffentlich-rechtliche Fernsehen, sodass auch diejenigen, die das Internet oder die Sozialen Medien eher nicht nutzen, ebenfalls in den Genuss kommen?)
Das alles sind unbestreitbar wunderschöne, berührende Gesten und Taten, die in dieser Zeit, von der niemand weiß, wann sie enden wird und in der jeder von uns hoch emotionalisiert ist, guttun und beweisen, dass unsere globale Gesellschaft zusammenhält und bemüht ist, die Kunst nicht verdorren zu lassen. Doch so schön und wertvoll das auch sein mag – es führt kein Weg daran vorbei, dass zeitnah auch eine politische Lösung gefunden werden muss zum Schutz der unzähligen Künstler und Kulturschaffenden, für die jeder Tag der geschlossenen Türen schwer wiegt und über Existenzen entscheiden kann. Schließlich besteht das Freizeitleben nicht nur aus der in diesem Zusammenhang in letzter Zeit bereits viel diskutierten Bundesliga oder der EM oder der Klub-WM. Halten wir uns also gemeinsam an den gesellschaftlichen Konsens, seien wir verantwortungsbewusst – damit wir alle, und mit uns die Musik, wieder zur Normalität zurückkehren können.
Diese April-Ausgabe, die Sie in den Händen halten, ist unter Umständen entstanden, die wir uns niemals hätten träumen lassen können. Bitte haben Sie Verständnis, wenn einige Daten der zahlenbasierten Rubriken (Spielpläne, Spielplänchen, Namen und Daten) sich in den kommenden Tagen nach Redaktionsschluss als nicht länger zutreffend herausstellen sollten. Auch wir schauen in die Zukunft, hoffen auf das Beste.
Vielen Dank für Ihre Treue und eine hoffentlich inspirierende Lektüre!