EDITORIAL
Autor: Y. Han · Ausgabe 1/2021
2020 geht zu Ende – zum Glück, werden viele von Ihnen sicherlich denken, auch wenn der Jahresausklang in diesem Jahr stiller und besinnlicher ausfällt, als es normalerweise der Fall gewesen wäre. Still ist es auch in musikalischer Hinsicht zuletzt vielerorts geblieben – aber nicht gänzlich. In Abwesenheit von Publikum hat so manches Haus nicht klein beigegeben, sondern seine Produktionen und Konzerte in live gestreamter Form dem im Saal nicht zugelassenen Publikum verfügbar gemacht. Im Reigen der oft stargespickten Angebote lag ein besonderes Augenmerk sicherlich auf dem Berliner »Lohengrin« an der Lindenoper mit Roberto Alagnas lange und mit Spannung erwartetem Rollendebüt in der Partie des Schwanenritters, das unsere Januar-Ausgabe eröffnet.
Weiter →Konsumieren auch Sie das digital oder per Live-Übertragung im TV-Programm verfügbare Angebot, liebe Leser? Die einen beklagten diese „Konserve“ schon kurz nach ihrem Aufkommen im Frühling, andere begrüßen sie nach wie vor als rettende Kreativleistung. Ist auch das einer dieser Transformationsprozesse, die der Dirigent Constantin Trinks schon auf der Höhe der ersten Welle im Frühjahr in einem sehr treffenden Artikel analysierte und der auch jetzt von der Präsidentin der Musikhochschule Hannover kritisch unter die Lupe genommen wird? Wird ein sich immer breiter aufstellendes Digital-Angebot der Opernhäuser uns auch in Zukunft erhalten bleiben? Und wenn ja – was bedeutet es für das Kulturleben? Führt es zu Vergrößerung oder im Gegenteil zu sukzessiver Verkleinerung? Die Zeit wird zeigen, wie lange uns das Thema Corona tatsächlich noch begleiten und Folgeerscheinungen nach sich ziehen wird – das wird besonders deutlich, wenn man sein Augenmerk auf die richtet, die noch darauf warten, Teil des „Opernzirkus“ zu werden: Wie die Baumringe in der Natur kann erst in einigen Jahren die Nachwuchslage Aufschluss darüber geben, welche Wellen 2020 und die sich anschließende Konsolidierungsphase geschlagen haben.
Wie treffend, dass wir somit mit zwei scheinbar gegensätzlichen, gleichzeitig aber doch auch verwandten Themen in das neue Jahr starten: mit dem Blick nach vorn in eine ungewisse Zukunft sowie mit dem Blick zurück einer Sängerlegende, deren internationale Bühnenkarriere in ihrer Länge und mit über 150 Opernpartien beispiellos ist und die sich trotzdem den mitfühlenden Blick auf den Nachwuchs bewahrt hat – den Domingo wie kein anderer mit seiner „Operalia“ fördert, ihn in immer wieder prominente Karrieren katapultiert und auf den ersten großen Schritten begleitet. Am 21. Januar wird Plácido Domingo 80 Jahre alt und denkt noch immer nicht ans Aufhören. Die trotz Belästigungsvorwürfen ungebrochene Welle an Begeisterung vonseiten seiner Fans, der Zuspruch durch seine Bühnenkollegen und seine Liebe zur Musik und zur Bühne dürften ihn darin bestärken.
Es war ein bewegtes, für viele sicherlich auch erschöpfendes Jahr. Lassen Sie es besinnlich ausklingen und starten Sie mit stets offenen Herzen und Ohren in das neue Jahr 2021 – wir freuen uns, dass Sie sich dabei von unserer Januar-Ausgabe begleiten lassen, und blicken mit ungebrochenem Optimismus auf die kommenden Monate. In diesem Sinne: ein frohes neues Jahr!