EDITORIAL
Autor: R. Tiedemann · Ausgabe 1/2015
Auf geht es mit Schwung ins neue Jahr! Ein Gute-Laune-Auftakt ist fast schon garantiert bei all den zum Jahreswechsel angesetzten Silvestergalas und Neujahrskonzerten. Auch die Operette gehört seit vielen Jahren traditionell dazu.
Weiter →Und das nicht nur, wenn es um beschwingte Festtagsstimmung geht. Sie ist endlich wieder dort angekommen, wo sie hingehört: mitten drin in der bunten Vielfalt der Spielpläne. Kaum ein Theater mehr, das auf die Zugkraft dieser beste Unterhaltung versprechenden Titel verzichten mag. Dass sie auch in jenen Jahren, wo die „Operettenseligkeit“ in manchen Kreisen – insbesondere bei einigen Vertretern des deutschen Regietheaters – regelrecht verpönt war, dennoch auf den Bühnen präsent geblieben ist, hat sie den immerwährenden, unschlagbaren Erfolgsgaranten des Genres zu verdanken, allen voran der »Fledermaus« und der »Lustigen Witwe«. Inzwischen hat sich das Angebot längst zu einem üppigen, abwechslungsreichen Programmpaket geweitet, das zudem mit allerlei Entdeckungen aufwartet. Was themenbezogene Veranstalter wie das Lehár Festival in Bad Ischl vorgemacht haben, gehört inzwischen an vielen Opernhäusern zum Kanon kreativer Konzeptionierung: die Lust an der Repertoireerweiterung auch in Sachen Operette. Allein in diesen Wochen reiht sich eine Premiere an die nächste, von Oldenburg bis Würzburg, von Dortmund und Darmstadt bis Regensburg, von Salzburg bis Klagenfurt, Straßburg bis Genf.
Dass sich auch die hochkarätigste Künstlerprominenz praktisch durch die Bank für derartige Projekte hellauf begeistern kann, wissen wir seit Jahren – und manifestiert sich derzeit nachdrücklich auf den Bühnen: sei es bei der jüngsten Silvesterpremiere der Metropolitan Opera in New York mit Renée Fleming als Hanna Glawari (später übernimmt die kaum minder populäre Susan Graham), der stargespickten »Csárdásfürstin« unter Christian Thielemann in der Semperoper oder der Konzert-Tour von Jonas Kaufmann mit Operettenschlagern der 1920er- und 30er-Jahre. Die mauserten sich als CD-Einspielung sogar zum Kassenschlager, das Album stürmte auf die vorderen Ränge der Pop(!)-Charts.
„Ein einziger Ohrwurm“, so beschreibt unser Titelkünstler Pavol Breslik die unwiderstehliche Wirkung einer guten Operette mit ihrem endlosen Reigen an Melodien, die sofort ins Ohr gehen – und dort gut und gern eine ganze Weile bleiben. Gerade die üppige Anzahl eingängiger Hits ist dem Genre kurioserweise immer wieder zum Vorwurf gemacht worden, ungeachtet der Tatsache, dass das Musiktheater wie überhaupt alle Musik (nicht nur die klassische) gerade aus der treffsicheren Kombination von Melodie und Rhythmus ihren unmittelbar ansprechenden, breitenwirksamen Effekt zieht. Wie schön, dass derart unsinnige Vorurteile inzwischen weitestgehend der Vergangenheit angehören und längst auch die szenische Komponente wieder ernster genommen wird. Hochklassige Produktionen sind die Folge, hohe Auslastungszahlen damit in der Regel auch. Wir dürfen also wieder Schwelgen in den Wonnen à la Strauß, Lehár, Kálmán & Co., ganz besonders – aber eben nicht nur – zum Jahreswechsel!
Zu einem optimistischen Ausblick auf das kommende Jahr gehört auch ein kritischer Blick zurück. 2014 war sicher kein leichtes Jahr, belastet vor allem durch enorme globale Krisen, aber auch viele lokale Probleme der unterschiedlichsten Art, wirtschaftlich, politisch, gesellschaftlich. In solchen Zeiten war und ist es für die Kunst nicht immer einfach, sich zu positionieren und ausreichend Gehör zu finden. Es mag zwar folgerichtig erscheinen, dass gerade jetzt ein vermeintlich leichtes Genre wie die Operette vermehrt in den Fokus rückt. Aber das Musiktheater hat deutlich weiter reichende Möglich- und Notwendigkeiten als kurzweilige Ablenkung und vordergründige Zerstreuung. Nicht umsonst erleben wir seit Jahren einen regelrechten Schub an neuen Opernkompositionen, die sich in vielen Fällen ganz aktuell mit den Themen der heutigen Zeit beschäftigen. Auch davon berichten wir in dieser Ausgabe. Und natürlich von den vielen Premieren, die einmal mehr belegen, dass uns auch jahrhundertealte Werke weiterhin sehr viel zu sagen haben. Dies ist fraglos eine der faszinierendsten Besonderheiten der Gattung Musiktheater.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Start in ein schönes, glückliches Jahr 2015 mit vielen mitreißenden, bewegenden, anregenden Stunden in der Oper!