EDITORIAL
Autor: R. Tiedemann · Ausgabe 12/2016
„Fertig!“ – In überdimensionalen Lettern prangte fast trotzig die sehnlichst erwartete Vollzugsmeldung als Lichtinstallation auf der Fassade der Hamburger Elbphilharmonie, als Anfang November Eröffnung gefeiert wurde – freilich nicht des Konzertsaales, darauf müssen wir noch bis Mitte Januar warten, wohl aber der sogenannten „Plaza“, die seither Tag für Tag von den Hamburgern und Besuchern aus aller Welt in Scharen gestürmt wird. Die neugierige, erkundungsfreudige Eroberung einer visionären Idee, deren Realisierung über zu viele, zu problembelastete Jahre fast selbst zur Utopie geworden war.
Weiter →Inzwischen ist die Vorfreude sprunghaft gestiegen, fast alle Veranstaltungen der ersten Konzertsaison sind ausverkauft. Was für ein Stimmungswandel – aber auch was für eine wechselhafte, schmerzvolle Entpuppung. Das vielgeschmähte „Millionengrab“ mutiert zum strahlenden Schwan; ein schon jetzt international als singulär anerkanntes Wahrzeichen.
Der hanseatischen Begeisterung ist derzeit nur schwer zu widerstehen. Und doch bietet eine andere traditionsreiche Elbmetropole, etwas stiller, aber durchaus selbstbewusst, Paroli: In Dresden gibt es leuchtende Augen sogar noch vor dem Weihnachtsfest, denn hier ist der Neubau für die Staatsoperette bereits vollendet. Mitte Dezember geht’s los! Gleich zwei kulturelle Großprojekte, eingeweiht innerhalb nur weniger Wochen? Fast schon zu schön, um wahr zu sein. Die Dresdner könnten dem hamburgischen „Fertig!“ sogar noch ein augenzwinkerndes Pendant entgegensetzen.
„Erster!“ – Dass sich der Vorhang zur Eröffnungspremiere fast genau einen ganzen Monat früher hebt, als sich die Türen zum Hamburger Konzertsaal öffnen werden, ist da nur das zufällige Nebenprodukt einer heute geradezu märchenhaft anmutenden Realisierungssouveränität. Im geplanten Zeitrahmen? Im vorgesehenen Budget? Da blicken nicht nur die Hanseaten respektvoll nach Sachsen.
Vergessen scheinen auch hier die schier endlosen, unschönen Diskussionen, die zwischenzeitlich die Zukunft eines in dieser Form einzigartigen Theaterbetriebs auch ganz existentiell infrage gestellt hatten. Für alle Zeiten unvergessen bleiben sollte daher der nicht weniger einzigartige, opferbereite Einsatzwille der Mitarbeiter der Staatsoperette Dresden: Jeder Einzelne von ihnen hat mit der Inkaufnahme von persönlichen finanziellen Einbußen den Bau der neuen Spielstätte überhaupt erst möglich gemacht.
Wenn nun dieses hochengagierte Ensemble Mitte Dezember in das neue Domizil einziehen wird, ist das nicht nur ein tolles, wichtiges Signal für die Dresdner, die derzeit aufgrund anhaltender Negativschlagzeilen aus dem (rand-)politischen Bereich über zunehmend einbrechende Tourismuszahlen klagen. Nicht weniger wichtig aber wäre, dass das prestigeträchtige Leuchtturmprojekt „Kraftwerk Mitte“, das ja in seiner Vielgestaltigkeit auch ein multikulturelles Gesamtpaket ist, etwas von seinem derzeit so strahlenden Licht nachhaltig ins direkte Umland aussenden kann. Die gebeutelte, aber trotz allem nach wie vor vielfältige Kulturszene Sachsens und ihr aufgeschlossenes, begeisterungsfähiges Publikum hätten es verdient!
Bunt und abwechslungsreich wie überhaupt die gesamte Opernlandschaft in Deutschland und der Welt, von Altenburg/Gera bis Ulm, von der Wiener Staatsoper bis an die New Yorker Met, präsentiert sich auch unsere Dezemberausgabe, die neben anregender Lektüre auch wieder einige tolle Geschenkideen zum Fest – apropos: den Bestellschein für unser beliebtes Weihnachts-Abo finden Sie diesmal auf Seite 74 – und vermutlich die eine oder andere Überraschung für Sie parat hält. Oder hätten Sie gedacht, dass Playmobil-Figuren an Schaschlik-Spießen und jugendliches, gleichwohl sehr professionelles Opernengagement in unmittelbarem Zusammenhang stehen können?